Alceste verachtet die ihn umgebende Gesellschaft für ihre Heuchelei und Oberflächlichkeit. Sein Ideal ist die unbedingte Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit. Fanatisch versucht er, sein Umfeld zu bekehren. Alcestes Weigerung, sich den gesellschaftlichen Spielregeln anzupassen und sich diplomatisch zu verhalten, führt zu bitteren Erfahrungen. Da er den Dichter Oronte nicht lobt, sondern radikal kritisiert, macht er sich diesen zum Feind. Den von Oronte angestrengten Prozess verliert Alceste, da er sich weigert, die Richter zu bestechen. Die gut gemeinten Ratschläge seines treuen Freundes Philinte schlägt er in den Wind.
Die schwerste Niederlage erfährt Alceste aber in der Liebe: Die von ihm umworbene, lebenslustige Witwe Célimène lehnt es trotz ihrer Zuneigung zu Alceste ab, zusammen mit ihm die Einsamkeit auf dem Land zu suchen und das Alleinsein mit einem mürrischen Menschenverächter gegen das reizvolle Spiel wechselnder Flirts einzutauschen. Ob Alceste die von ihm ständig angekündigte Weltflucht am Ende allein antreten wird, bleibt offen.
In DER MENSCHENFEIND kratzt der Dramatiker und Regisseur Jean-Baptiste Poquelin, genannt Molière (1622–1673), genussvoll am Lack der Oberfläche, schaut hinter die glanzvolle Party-Fassade einer Gesellschaft, die so tut, als ob es Kategorien wie Moral oder Wahrheit als Konsens des Zusammenlebens gäbe, während diese sich bereits aufgelöst haben. Eingeschrieben ist allen Figuren ein Gefühl der Verlorenheit und Einsamkeit, ein Gefühl, das geradezu existenzbestimmend ist und sie unfrei erscheinen lässt, bei aller Raffinesse ihrer Sprache und ihrer Selbstinszenierung.